Diese Krankenkassen lehnen am meisten ab

Zuletzt aktualisiert: 07. Dezember 2025, 14:24
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Gleicher Antrag, unterschiedliche Chancen: Wie Ihre Krankenkasse über Ihren Erfolg entscheidet

Stellen Sie sich vor: Zwei Menschen stellen den gleichen Antrag auf Pflegeleistungen oder Hilfsmittel. Der einzige Unterschied? Ihre Krankenkasse. Der eine bekommt eine Zusage, der andere eine Ablehnung. Klingt unfair? Ist es auch.

Unsere umfassende Analyse von über 1.200 Anträgen zeigt: Die Wahl der Krankenkasse kann darüber entscheiden, ob Ihr Antrag genehmigt wird oder nicht.

Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache. Während bei einigen Krankenkassen nur 9% der Anträge abgelehnt werden, liegt die Ablehnungsrate bei anderen Kassen bei über 25%. Das bedeutet: Die Spannweite zwischen der kulantesten und der restriktivsten Kasse beträgt beachtliche 16,6 Prozentpunkte

Anders ausgedrückt: Bei der Kasse mit der höchsten Ablehnungsrate ist die Wahrscheinlichkeit einer Ablehnung fast dreimal so hoch wie bei der Kasse mit der niedrigsten Rate.

Diese Unterschiede sind nicht nur statistisch signifikant – sie haben reale Auswirkungen auf das Leben von Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen. Ein abgelehnter Antrag bedeutet oft: keine dringend benötigten Hilfsmittel, keine Entlastung für pflegende Angehörige, keine Verbesserung der Pflegesituation. Umso wichtiger ist es zu wissen, wie die eigene Krankenkasse im Vergleich abschneidet.


Das Ranking: Welche Krankenkassen sind am restriktivsten?

Unsere Analyse umfasst alle Krankenkassen mit mindestens 20 Anträgen in der Stichprobe, um statistisch verlässliche Aussagen treffen zu können. Das Ergebnis ist eindeutig – und für manche Versicherte ernüchternd.

Die 5 Krankenkassen mit den höchsten Ablehnungsraten

Ablehnungsraten in %

Besonders auffällig: Die Knappschaft lehnt mehr als jeden vierten Antrag ab. Das ist fast dreimal so häufig wie bei privaten Krankenversicherungen. Auch die KKH zeigt mit über 20% eine bemerkenswert hohe Ablehnungsquote.


Die 5 Krankenkassen mit den niedrigsten Ablehnungsraten

Ablehnungsraten in %

Auf der anderen Seite des Spektrums stehen die privaten Krankenversicherungen, die mit nur 9,1% die niedrigste Ablehnungsrate aufweisen. Die Barmer und die Techniker Krankenkasse folgen knapp dahinter und genehmigen etwa neun von zehn Anträgen.

Die AOK, als größte gesetzliche Krankenkasse mit 320 Anträgen in unserer Analyse, liegt mit 11,9% im unteren Mittelfeld – ein durchaus respektables Ergebnis bei dieser hohen Fallzahl.


Warum diese großen Unterschiede? Mögliche Erklärungen

Die dramatischen Unterschiede in den Ablehnungsraten werfen die Frage auf: Warum lehnt die eine Kasse so viel häufiger ab als die andere? Mehrere Faktoren könnten eine Rolle spielen:

1. Unterschiedliche Auslegung rechtlicher Vorgaben. Alle gesetzlichen Krankenkassen unterliegen denselben gesetzlichen Regelungen. Dennoch gibt es Interpretationsspielräume. Manche Kassen legen die Kriterien für die Bewilligung von Hilfsmitteln oder Pflegeleistungen restriktiver aus als andere. Dies betrifft insbesondere die Einschätzung der Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit beantragter Leistungen.

2. Interne Prüfrichtlinien und Prozesse. Jede Krankenkasse hat eigene interne Richtlinien für die Bearbeitung von Anträgen. Einige Kassen setzen stärker auf automatisierte Prüfverfahren, während andere eine individuellere Bewertung vornehmen. Auch die Qualifikation und Schulung der Sachbearbeiter kann einen Unterschied machen.

3. Finanzielle Anreize und Budgetdruck. Obwohl alle gesetzlichen Kassen aus dem gleichen Gesundheitsfonds finanziert werden, stehen sie unter unterschiedlichem wirtschaftlichem Druck. Kassen mit höheren Verwaltungskosten oder ungünstigerer Versichertenstruktur könnten genehmigungsfreudiger bei Anträgen sein, um Versicherte zu halten – oder im Gegenteil, restriktiver, um Kosten zu sparen.

4. Regionale Unterschiede und Versichertenstruktur. Manche Krankenkassen haben regional unterschiedliche Schwerpunkte. Die Knappschaft beispielsweise ist historisch im Bergbau verwurzelt und hat möglicherweise eine andere Versichertenstruktur als bundesweit tätige Kassen. Dies könnte Einfluss auf die Antragskultur und -bewertung haben.

5. Private versus gesetzliche Versicherung. Die niedrigere Ablehnungsrate bei privaten Krankenversicherungen lässt sich teilweise durch strukturelle Unterschiede erklären. Private Versicherer haben oft direktere Vertragsbeziehungen zu Leistungserbringern und flexiblere Vertragsgestaltungen. Zudem zahlen Privatversicherte höhere Beiträge und erwarten entsprechend umfassendere Leistungen.


Die Schwierigkeit des Antragsprozesses variiert je Kasse - jedoch ohne signifikante Auswirkung auf Genehmigungsraten

Die Ablehnungsrate korreliert nicht direkt mit der wahrgenommenen Schwierigkeit des Antragsprozesses. Das mag überraschend klingen, erklärt sich aber bei genauerer Betrachtung.

Vor allem die Techniker Krankenkasse zeigt ein interessantes Muster: Trotz der höchsten wahrgenommenen Schwierigkeit hat sie eine der niedrigsten Ablehnungsraten. Das deutet darauf hin, dass ein aufwändiger Antragsprozess sich eventuell lohnen kann. Geht man davon aus, dass dadurch alle notwendigen Informationen im ersten Anlauf vorliegen, ist eine Ablehnung seltener.

Die Knappschaft hingegen vereint eine mittlere Prozessschwierigkeit mit der höchsten Ablehnungsrate – ein besonders ungünstiges Verhältnis für Versicherte. Hier scheint weder ein einfacher Prozess noch eine gründliche Antragsvorbereitung die Chancen wesentlich zu verbessern.

Die AOK punktet mit der als am einfachsten wahrgenommenen Antragstellung und einer moderaten Ablehnungsrate. Dies könnte auf gut etablierte, standardisierte Prozesse hindeuten, die sowohl für Antragsteller als auch für die Kasse effizient sind.

Letztendlich scheint es hier sehr individuell auf die Krankenkasse anzukommen. Ein komplizierter Antragsprozess ist nicht automatisch ein schlechtes Zeichen. In jedem Fall zahlt sich Sorgfältigkeit und gründliche Vorbereitung bei der Antragsstellung aus. Insbesondere bei Kassen mit hohen Ablehnungsraten sollten alle Unterlagen sorgfältig dokumentiert werden.


Was sich ändern muss: Die größten Hindernisse im Antragsprozess

Die Analyse der über 1.200 Anträge zeigt nicht nur Unterschiede zwischen den Kassen, sondern auch systematische Probleme im gesamten System. Die häufigsten Hindernisse, die Antragsteller erleben, zeigen deutlich, wo der Schuh drückt:

Größte Hindernisse im Antragsprozess

Genannte Verbesserungsvorschläge


Notwendige Reformen im System

Um das System der Pflegebewilligung gerechter und effizienter zu gestalten, ist zunächst eine Standardisierung der Bewilligungskriterien unerlässlich. Bundesweit einheitliche Richtlinien würden die derzeitige Willkür reduzieren und für alle Versicherten faire Chancen schaffen. Damit einhergehend muss eine strikte Transparenzpflicht bei Ablehnungen gelten: Statt pauschaler Textbausteine sollte jeder Bescheid eine detaillierte, verständliche und auf den konkreten Einzelfall bezogene Begründung enthalten.

Auch der bürokratische Prozess selbst bedarf einer Vereinfachung. Formulare sollten in einfacher Sprache verfasst sein und durch klare Checklisten ergänzt werden, damit Versicherte sofort wissen, welche Unterlagen benötigt werden. Um zu verhindern, dass Anträge monatelang unbearbeitet bleiben, wären gesetzlich festgelegte, verbindliche Bearbeitungsfristen ein wirksames Mittel. Flankiert werden müssen diese Maßnahmen durch eine Reform der MDK-Begutachtung, die kürzere Wartezeiten auf Termine, eine bessere Schulung der Gutachter sowie eine ganzheitlichere Betrachtung der individuellen Pflegesituation sicherstellt.


Handlungsempfehlungen für Antragsteller

Solange diese strukturellen Verbesserungen noch ausstehen, sollten Antragsteller alle verfügbaren Ressourcen nutzen. Es ist ratsam, frühzeitig professionelle Unterstützung durch Pflegeberatungsstellen, Pflegestützpunkte oder Sozialverbände wie den VdK oder SoVD in Anspruch zu nehmen. Ein entscheidender Faktor für den Erfolg ist zudem die sorgfältige Dokumentation: Alle relevanten Arztberichte, Gutachten und Bescheinigungen sollten von Anfang an gesammelt und vollständig eingereicht werden.

Sollte ein Bescheid negativ ausfallen, lohnt es sich, hartnäckig zu bleiben. Bei unklaren Ablehnungen ist der Widerspruch oft ein erfolgreicher Weg; alternativ kann nach drei bis sechs Monaten – oder bei einer Verschlechterung der Situation auch früher – ein neuer Antrag gestellt werden. Wer die Möglichkeit dazu hat, sollte zudem bereits vor einem Krankenkassenwechsel die jeweilige Bewilligungspraxis recherchieren und in die Entscheidung einbeziehen.


Fazit

Die Unterschiede zwischen den Krankenkassen sind real und erheblich. Mit einer Spannweite von über 16 Prozentpunkten bei den Ablehnungsraten ist die Wahl der Krankenkasse alles andere als egal. Während private Versicherungen, die Barmer und die Techniker Krankenkasse etwa neun von zehn Anträgen bewilligen, wird bei der Knappschaft jeder vierte Antrag abgelehnt.

Diese Erkenntnis sollte niemanden entmutigen, sondern vielmehr ermutigen: Wer seine Rechte kennt, sich gut vorbereitet und notfalls Unterstützung sucht, kann seine Chancen erheblich verbessern. Und wer bei einer Kasse mit hoher Ablehnungsrate versichert ist, sollte besonders gründlich dokumentieren und im Zweifelsfall nicht zögern, Widerspruch einzulegen.

Die Daten zeigen auch: Ein aufwendiger Antragsprozess muss nicht negativ sein. Die Techniker Krankenkasse beweist, dass gründliche Antragstellung und niedrige Ablehnungsraten Hand in Hand gehen können. Umgekehrt garantiert ein einfacher Prozess keine Bewilligung – wie die Knappschaft zeigt.

Letztlich braucht es aber systemische Reformen. Solange Krankenkassen bei identischen Anträgen zu so unterschiedlichen Ergebnissen kommen, ist das System nicht fair. Einheitliche Standards, transparente Entscheidungen und schnellere Bearbeitung sind keine unerreichbaren Ziele – sie sind die Grundvoraussetzung für ein gerechtes Pflegesystem, das seinen Namen verdient.

Infos zur Methodik

Sicherstellung der Datenintegrität und statistischen Signifikanz

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Stichprobengröße
November 2025
Umfragezeitraum
Online-Befragung
Methode

Für Rückfragen können Sie uns gerne eine E-Mail schreiben an info@pflege-helfer24.de

Diese Analyse basiert auf 1.224 Umfrageantworten von Personen, die in den letzten zwei Jahren Anträge auf Pflegeleistungen, Hilfsmittel oder Zuschüsse gestellt haben. Die Daten wurden zwischen November und Dezember 2025 erhoben. Für das Ranking wurden nur Krankenkassen mit mindestens 20 Anträgen berücksichtigt, um statistische Aussagekraft zu gewährleisten.